Plagiat: Der Plagiatsvorwurf im Prüfungsrecht
Ein Plagiat führt zum Nichtbestehen der wissenschaftlichen Arbeit. Die Mühen für Doktorarbeit, Diplomarbeit, Bachelorarbeit, Masterabschluss oder Hausarbeit können vergebens gewesen sein. Hinzu kommt ein mögliches Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht (§§ 106, 108a UrhG) sowie wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung (§ 156 StGB). Wann aber liegt überhaupt ein Plagiat vor? In welchen Fällen kann der Plagiatsvorwurf entkräftet werden? Und wenn eines vorliegt: Was erwartet den Betroffenen im Strafverfahrens wegen eines Plagiates? Diese Fragen klärt dieser Beitrag.
2. Welche Einwendungen können gegen den Plagiatsvorwurf erhoben werden?
3. Darf ich meinen Titel behalten, solange das Verfahren läuft?
4. Habe ich eine Straftat begangen, wenn ich ein Plagiat abgegeben habe?
5. Welchen Rechtsschutz habe ich gegen den Plagiatsvorwurf?
Mit Plagiat wird in im Bereich des Prüfungsrechtes eine Prüfungsleistung (z.B. Diplomarbeit, Doktorarbeit, Hausarbeit) bezeichnet, in sich der Verfasser als Urheber zumindest eines Teiles der Arbeit ausgibt, obgleich er nicht der wahre Verfasser ist. In der praktischen Wirklichkeit ist damit gemeint, dass Teile der Arbeit aus anderen Quellen abgeschrieben sind, diese Quellen aber nicht zitiert sind.
Hier einige Beispiele, wann ein Plagiat bejaht / verneint wurde:
- Frau Ursula von der Leyern wurde der Doktortitel von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nicht aberkannt. Laut Spiegel-online waren 20 % plagiiert, die Arbeit habe aber dennoch Bedeutung für die Wissenschaft gehabt
- Das Verwaltungsgericht Münster (Aktenzeichen 10 K 1212/07) hat entschieden, dass es für den Plagiatsvorwurf genüge, wenn 1 1/2 von mindestens 43 Seiten einer Diplomarbeit aus einer nicht zitierten Quelle abgeschrieben sind.
- Das OVG Lüneburg (Az.: 2 M 96/09) hat es genügen lassen, dass ein Lehramtsanwärter für das 2. Staatsexamen 16 Textpassagen abgeschrieben hatte, ohne die Quelle kenntlich zu machen.
2. Welche Einwendungen können gegen den Plagiatsvorwurf erhoben werden?
1. Überstrenge Prüfer
Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn dem Prüfling vorgeworfen wird, Basiswissen nicht zitiert zu haben. Jeder kennt das aus seinem Fachgebiet: Es gibt ein Grundwissen, dass jedem bekannt ist. Überstrenge Prüfer, die eine Arbeit “runter” bewerten wollen, neigen teilweise dazu, dem Prüfling anzukreiden, er habe diese “basics” nicht zitiert. Dies erlebe ich immer wieder in meiner anwaltlichen Praxis. Gegen solche Plagiatsvorwürfe lässt sich Erfolg versprechend angehen.
2. Flüchtigkeitsfehler in der wissenschaftlichen Arbeit
Die andere Fallgruppe sind die Bagatellfälle: So hatte Guttenberg zu Beginn seiner Plagiatsaffäre erwähnt, er wolle prüfen, ob vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten. Wenn es dabei bleibt, hat der Betroffene tatsächlich gute Chancen.
Gemeint sind damit Fälle, in denen z.B. vereinzelt nicht zitiert wurde oder vereinzelt nicht richtig zitiert wurde. Hierbei ist darauf zu achten, dass diese Fällen auf wenige Fälle beschränkt sein müssen. Wo die Grenze genau ist, lässt sich nur schwer sagen. Aber die Anzahl der Fälle muss noch das Urteil als “Flüchtigkeit” zulassen.
3. Arbeit von Bedeutung für die Wissenschaft, aber Plagiat in der Einleitung
Es gibt Dissertationen, die wertvoll für die Wissenschaft sind, weil Sie Ergebnisse enthalten, die vom Verfasser stammen und einen neuen wertvollen Beitrag für die Wissenschaft darstellen. Enthält so eine Arbeit im einleitenden Teil oder im allgemeinen erläuternden Teil Plagiate, ist aber der wissenschaftliche Teil (also das “Filetstück” der Arbeit) original vom Verfasser, kann der Titelentzug auch abgewehrt werden. Vergleichbar damit lag der Fall von Frau Ursula von der Leyen. Die Medizinische Hochschule Hannover hatte den Titelentzug abgelehnt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Arbeit einen bedeutsamen Beitrag zur Wissenschaft leiste. Die Plagiatsstellen allein konnten nach Ansicht der MHH den Titelentzug nicht rechtfertigen. Laut Spiegel online war der Plagiatsanteil mit ca. 20 % recht hoch bei Frau von der Leyen. Dennoch wurde Frau von der Leyen der Doktortitel belassen.
3. Kann ich meinen Titel behalten, solange das Verfahren läuft?
In der Regel ja, wenn Widerspruch oder Klage eingelegt werden. Widerspruch und Klage haben zumeist aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass der Titelentzug für die Dauer des Verfahrens “suspendiert” ist. Damit ist gemeint, dass der Betroffene seinen Titel solange führen darf, bis über Widerspruch oder Klage rechtskräftig entschieden worden ist.
Diese Regelung ist von überaus wichtiger Bedeutung. Denn der Titelentzug ist für den Titelträger u.U. mit erheblichen Folgen im beruflichen oder familiären Umfeld verbunden. Die Regelung ermöglicht auch “taktische” Rechtsbehelfe, die letztlich zwar den Titelentzug nicht anwenden können, aber die aufschiebende Wirkung bis auf Weiteres herbeiführen. Bedeutung erlangt dies v.a. bei Personen, die die beruflichen oder privaten Folgen des Titelentzuges durch Zeitgewinnn abmildern oder abwenden wollen. Im Extremfall kann die Verfahrensdauer dazu genutzt werden, eine neue Dissertation zu schreiben. Andere Personen nutzen die Verfahrensdauer, sich eine andere Anstellung zu suchen, um einer Kündigung nach Titelentzug zu entgehen.
4. Habe ich eine Straftat begangen, wenn ich ein Plagiat abgegeben habe?
In aller Regel ja. Eine Strafbarkeit kann sich aus der Urheberrecht (4.1.) und dem Strafgesetzbuch (4.2.) ergeben.
4.1.
Strafbarkeit nach §§ 106, 108 a Urhebergesetz
§ 106 UrhG regelt:
“Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
Erfasst sind insbesondere die Fälle, in denen Werke abgeschrieben werden ohne dies durch ein Zitat kenntlich zu machen.
Für die Bewertung der Strafbarkeit ist strafmildernd in aller Regel zu berücksichtigen, dass für den wahren Autoren meist nur ein geringer Schaden entsteht. Die meisten Prüfungsarbeiten werden kommerziell nicht verwertet, nur vom Prüfer gelesen.
Zudem wird die Tat des § 106 UrhG zumeist nur auf Strafantrag erfolgt. Fehlt dieser, gibt es keine Strafe.
Anders ist es dagegen – insbesonder bei Doktorarbeiten -, wenn diese vermarktet werden. Dann wird die “wahre Autor” um seinen Lohn gebracht.
Dies wird vom Gesetz in verschärfter Form geahndet, nämlich in § 108 a UrhG: Dieser regelt den gewerbsmäßigen Verstoß. Ein solcher kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Werk eines fremden Autoren ohne dessen Einverständnis verkauft wird, beispielsweise in einer Doktorarbeit. Hier ist dann die Strafe bis zu 5 Jahren statt bis zu 3 Jahren. Zudem wird die Tat des § 108a UrhG – anders als die Tat nach § 106 UrhG – von Amts wegen verfolgt und nicht nur auf Antrag, vgl. § 109 UrhG.
In allen Fällen ist eine Strafbarkeit nur dann gegeben, wenn dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er wissentlich die Tat begangen hat. Wer dies nur versehentlich getan hat, ist straffrei. Hier liegt eine wesentliche Chance der Strafverteidigung. Denn es ist für das Gericht nicht einfach, den Nachweis zu erbringen, dass der Täter vorsätzlich gehandelt hat. Die Beweislast liegt beim Strafgericht, nicht beim angeklagten Autoren.
4.2.
Strafbarkeit nach dem StGB: Falsche eidesstattliche Versicherung, § 156 StGB
Die Prüfungsordnungen sehen vor, dass bei·Examens-, Diplom-, Bachelor- und·Masterarbeiten oder Doktorarbeiten der Verfasser eine Eidesstattliche Versicherung abgeben muss. Sie enthält in aller Regel den Passus, dass der Verfasser versichert, sich keiner anderen als der angegebenen Hilfsmittel bedient zu haben.·Bei berechtigtem Plagiatsvorwurf hat der Betroffene zumeist eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben. Wenn Uni oder Prüfungsamt Strafanzeige erstatten, muss der Betroffene einem Strafverfahren wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung (§ 156 StGB) rechnen.
In prominenten Fällen hört und liest man gelegentlich Äußerungen der Betroffenen wie: Ich habe alle mir damals bekannten Zitierstandards eingehalten, bin mir keiner Schuld bewusst. Dies zielt klar auf den Vorsatz im Bereich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Denn wer angibt, die ihm bekannten Standards gewahrt zu haben, kann ja nur ohne Vorsatz gehandelt haben. Rechtlich hilft dies im Grunde gar nicht. Denn – was vielfach übersehen wird: auch die f a h r l ä s s i g e Abgabe der falschen Eidesstattlichen Versicherung ist strafbar. Ein Wissenschaftler wird bei berechtigtem Plagiatsvorwurf dem Fahrlässigkeitsvorwurf praktisch nichts entgegen halten können. Denn er müsste geltend machen, dass es für ihn unvermeidbar war, geltende Zitierstandards – letztlich Basiswissen beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten – nicht zu kennen.
Die drohende Strafe ist allerdings gering. Verfahren wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung werden in der Regel eingestellt gegen eine Geldbuße oder mit geringer Strafe versehen. Wer vorbestraft ist, ggf. einschlägig, muss mit härteren Strafen rechnen, im Extremfall mit Haft.
Wenn die Uni oder das Prüfungsamt keine Strafanzeige erstattet, was durchaus in der Praxis der Fall ist, kommt es ohnehin nicht zu einem Strafverfahren.
5. Welchen Rechtsschutz habe ich gegen den Plagiatsvorwurf?
Anhörungsverfahren, Widerspruch und Klage.
5.1. Anhörungsverfahren
Das Verfahren beginnt mit der Anhörung. Hier können die Betroffenen Ihre Argumente vorbringen. Ich empfehle, nach Möglichkeit schon in dieser Phase einen Anwalt entweder beratend oder sogar vertretend zu beauftragen.
5.2. Widerspruchsverfahren
Entzieht die Hochschule per Bescheid den Titel, kann dagegen Widerspruch eingelegt werden. Wer seinen Titel behalten will, muss dann Widerspruch einlegen. Das Widerspruchsverfahern ist die letzte Möglichkeit, den Titelentzug außergerichtlich abzuwenden.
5.3. Klage
Bleibt auch das Widerspruchsverfahren erfolglos, verbleibt nur noch der Gerichtsweg. Per Klage kann dann der Titelentzug angegriffen werden. Auch hier gilt zumeist, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat. Das bedeutet, dass der Titelträger für die Dauer des Verfahrens seinen Titel weiter tragen darf.
Bei Vertretung gegenüber den Hochschule beläuft sich das Honorar für den Anwalt zumeist auf ab ca. 1.000,00 €. Die Kosten hängen auch davon ab, um welche Arbeit es sich handelt (z.B. Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation). Zudem sind die Kosten auch vom Aufwand abhängig.
Beratung: ab 75 € (auch telefonisch möglich).
Wenn Sie Interesse haben, wenden Sie sich gern an mich: Telefonisch (0511. 220 620 60) oder per mail (tarneden@tarneden.de).